Ägypten 2008/09

Linda Beck

linda-aegyptenÄgypten – ein großes Land, viele Menschen, Armut und Reichtum, eine dominierende Religion. Genau dort habe ich gelebt. Ich heiße Linda Beck und habe das Schuljahr 2008 / 2009 in Ägypten verbracht. Dies wurde mir durch die AFS – Stipendienfonds ermöglicht.

Viele Fragen sich jetzt sicherlich, warum ich nach Ägypten gegangen bin. Das hatte einen ganz einfachen Grund – ich wollte, wenn ich schon weggehe, in ein total anderes Land. Zum Anderen hat mich auch das Leben im Islam interessiert. Wir Deutschen wissen nur ein paar Grundsteine des Islams und mich hat auch interessiert, wie dieser Glaube im täglichen Leben praktiziert wird.

Die Religion hat mir am Anfang sehr viele Schwierigkeiten gebracht.

Für einen deutschen Teenager ist es kaum vorstellbar, nicht allein mit einem Jungen bzw. einem Mädchen weggehen zu dürfen. Dies ist aber in Ägypten einfach normal. Als Mädchen sollte man NIE allein mit einem oder mehreren Jungen weggehen. Wenn ein Mädchen so gesehen wird, reden die Leute über sie und sie bekommt einen schlechten Ruf.

In Deutschland sieht man selten verschleierte Frauen, bei denen außer dem Gesicht, den Händen und den Füßen keine nackte Haut zu sehen ist. Obwohl ich keine Muslime bin, musste ich mich an eine Kleiderordnung halten. Ich durfte nur mit langer Hose und einem T-Shirt (keinem Top) aus dem Haus. Der Ausschnitt sollte nicht zu weit sein und am Rücken sollte keine Haut zu sehen sein. Dies ist bei über 30 °C manchmal doch etwas ungewöhnlich.

Noch etwas kaum vorstellbares ist der fünf Mal tägliche Gebetsruf, der die Muslime an das Gebet erinnert. Am Anfang war es sehr komisch für mich. Aber nach einer Weile, habe ich mich daran gewöhnt, wusste wann der nächste Gebetsruf kommt. Manchmal habe ich auch auf dem Balkon darauf gewartet. Es hört sich sehr schön an, meistens fängt eine Moschee an, und nach und nach setzen immer mehr ein. Und wenn die, direkt vor unserem Haus, eingesetzt hat, hört man die anderen nicht mehr.

Während des Gebetes, dass meine Gasteltern meist Zuhause verrichteten, durfte man nicht mit ihnen reden und der Fernseher musste etwas leiser gestellt werden.

Meine Gastfamilie bestand aus meinen Gasteltern, meiner Gastschwester Mariam (19) und meinem einundzwanzigjährigen Gastbruder Khaled. Ein weiterer Gastbruder war auch mit dem AFS-Programm in den USA.

Mein Gastvater ist Apotheker und war von morgens acht bis nachmittags 15.00 Uhr und nochmals abends von 21.00 Uhr bis ca. 0.00 Uhr in der Apotheke. Meine Gastmutter ist Buchhalterin und Arbeitet die Hälfte des Jahres in diesem Beruf. Ihre Familie hat drei Bekleidungsgeschäfte, eines davon für Schuluniformen, die im eigenen Betrieb hergestellt werden. Dies erfordert in den Monaten vor dem Schulbeginn viel Aufwand.

Meine beiden Gastgeschwister studierten beide.

Mein Leben war von der Familie geprägt. Mittags gegen 15.00 Uhr, wenn mein Gastvater von der Arbeit kam und ich meistens schon von der Schule zuhause war, gab es das Mittagessen. Das ist in Ägypten um diese Uhrzeit normal. Danach ruhten sich alle zuerst einmal aus. Meine Gasteltern haben fast immer geschlafen und ich auch manchmal. Am Abend war ich manchmal mit meiner Gastfamilie weg, im Laden, Eisessen, Freunde besuchen, einkaufen…

Ich war auf einer privaten “Language” School, an dieser Schule wurde ein Teil

des Unterrichts auf Englisch unterrichtet. Somit hatte ich außer Englisch und Französisch noch Mathe, Bio, Chemie und Physik.

Die Schule war anders, als ich es von Deutschland kannte.

Am Morgen gab es eine Morgenzeremonie, bei der die ganze Schule auf dem Schulhof stehen musste. Jeden Tag hat eine Projektgruppe etwas vorgetragen, dies konnte z. B. ein Ratespiel auf Französisch sein, oder Informationen zu einem Feiertag auf Englisch.

Danach wurden ein paar Zeilen aus dem Koran vorgelesen. Anschließend wurde die Nationalhymne gesungen. An manchen Tagen wurden auch noch besondere Leistungen von Schülern vorgelesen und diese bekamen dann ein Geschenk. Zum Beispiel beim Fußballturnier der Schule oder beim Schulwettbewerb mit anderen Schulen oder einfach für die besten Noten in Klassenarbeiten.

Nach dieser Morgenzeremonie hatten alle Schüler vier Stunden Unterricht, dann gab es eine zwanzigminütige Pause. Die Schüler konnten sich in den Pausen Chips und Schokolade am Kiosk kaufen. Das hatte zur Folge, dass am Ende der Pause, der Schulhof mit Chipstüten vermüllt war. Nach der Pause gab es nochmals drei beziehungsweise fünf Stunden Unterricht.

Der Unterricht war öfters Mal langweilig. Die Schüler müssen fast nichts denken, der Lehrer schreibt ihnen das Problem mit der Lösung an die Tafel. Man musste dann dies nur noch auswendig lernen. Somit gab es keine Gruppenarbeit und auch keine Präsentationen.

Am Ende jeden Monats werden Klassenarbeiten in allen Fächern geschrieben. Manchmal war es etwas schwierig, täglich eine Arbeit zu schreiben. Aber nach einer Weile, machte es mir nichts mehr aus. Ich bekam immer mehr vom Unterricht mit und somit musste ich weniger zuhause nacharbeiten.

Am Ende der Halbjahre wurden Prüfungen in allen Fächern geschrieben, in denen der Stoff des kompletten Halbjahres schriftlich abgefragt wurde.

Ich war dort in einer sehr tollen Klasse. Wir waren 24 Schüler, 12 Mädels und der Rest Jungen. Sie machten es mir leicht, am Unterricht teilzunehmen und halfen mir den Schulalltag kennenzulernen.

Das heiße Klima Ägyptens war zu Beginn sehr erschöpfend. Aber bald schon merkte ich, dass es langsam kühler wurde. Der Winter war dann immer noch recht mild, wobei es im Haus, in dem es keine Heizung gab, dann doch mal kalt wurde. Ich freute mich, als es im März endlich wieder wärmer wurde. Im Winter hat es einige Male (nicht mehr als zehn Mal) geregnet, was für die Ägypter jedes Mal ein Highlight ist.

Die Landschaft ist auch von diesem Klima geprägt. Große Teile des Landes bestehen aus Wüste und es wächst nur dort, wo auch gegossen wird.

Da meine Gastfamilie wollte, dass ich viele verschiedene Eindrücke von dem Land bekomme, sind meine Gastmutter und meine Gastschwester mit mir drei Mal in den Urlaub gegangen. Wir waren zusammen drei Tage in Alexandria, wo ich endlich mal das Meer gesehen habe und wo das Wetter noch mal um ein paar grad wärmer ist.

Außerdem waren wir, während dem Winter in Ismailia (meiner Stadt), für vier Tage in Sharm-el-Sheikh. Das am Roten Meer liegende Urlaubsgebiet hatte zu dieser Zeit angenehme fünfundzwanzig Grad, man konnte ins Meer und wir hatten eine super Zeit.

Mein schönster und erlebnisreichster Urlaub, war ein Trip nach Luxor und Assuan.

Es begann mit einer fast zwanzigstündigen Busfahrt nach Assuan. In Assuan schauten wir uns unter anderem den Hochstaudamm und das Nubische Museum besuchten.

Außerdem machten wir einen Tagesausflug zu den Tempeln von Abu Simbel. Mich hat dies am meisten fasziniert und ich werde es noch sehr lange in Erinnerung behalten.

Nach einigen Tagen sind wir nach Luxor gefahren. Dort haben wir den Luxor-Tempel und den Tempel von Karnak angesehen.

Wir haben noch weitere historische Plätze angeschaut.

Am Besten fand ich den Bazar sowohl in Luxor als auch in Assuan. Mir machte es Spaß, mit den Verkäufern (auf arabisch) zu handeln und mit meinen Sprachkenntnissen den Preis herunterzuhandeln.

Am Ende des Jahres wollte ich gar nicht mehr nach Hause. Ich verstand mich sehr gut mit meiner Gastfamilie und unternahm immer mehr mit Freunden.

Ich fand sehr schade, dass ich mein Auslandsjahr nur 9 Monate und 10 Tage dauerte. Es war auch traurig, dass ich gleich zu Beginn der ägyptischen Ferien wieder nach Deutschland zurückkehrte. Dort gibt es fast drei Monate Sommerferien, dafür gibt es während des gesamten Jahres nur zwei Wochen Halbjahresferien.

Ich bin wahnsinnig glücklich, dass ich die Zeit in Ägypten gut überstanden habe und möchte mich am Ende nochmals bei dem AFS bedanken.