Ecuador 2005/2006

Nhomsai Zeller

Wahnsinn, es ist schon über zwei Monate her, seit ich mit den anderen AFSlern in Quito/Ecuador gelandet bin.
In dieser Zeit habe ich viel erlebt und ich will versuchen, euch in den nächsten Zeilen einen kleinen Einblick in mein Leben hier in Ecuador zu geben.

Ecuador wird grob in drei Teile eingeteilt: Costa, Sierra und Oriente.
Costa ist die Küste, Sierra das Andenhochland und Oriente das Amazonasbecken. Ich lebe in der Sierra, genauer gesagt in Loja, ziemlich im Süden Ecuadors.
Loja liegt auf über 2000 Metern Höhe und wird als sehr klein bezeichnet (ca. 210 000 Einwohner). Die Menschen hier können sich gar nicht vorstellen, dass meine „Stadt“ in Deutschland viel kleiner ist.
Mir persönlich gefällt Loja sehr gut, es gibt alles, was man zum Leben und Spaß haben braucht (für mich ist die Auswahl an Diskos, Bars und Cafes nach meinen Erfahrungen in unserem Hohenlohe doch sehr groß), aber dennoch hat Loja ein angenehmes Kleinstadtfeeling und ist nicht gefährlich. Ich brauche also keinen Bodyguard, um das Haus zu verlassen, wie das in Guayaquil angeblich manchmal der Fall sein soll.

Im Gegensatz zu den anderen drei AFSlern in Loja (eine Deutsche, eine Schweizerin und ein Belgier), die alle eine ganz „normale“ Gastfamilie mit Vater, Mutter und Geschwistern haben, bin ich in einen ziemlich wirren Haufen geraten.
Meine Gastmutter Violeta ist alleinstehend und lebt mit ihren zwei Schwestern zusammen. Ich wohne jedoch im Haus einer anderen Schwester von Violeta, Beatriz. Beatriz lebt allerdings zur Zeit mit ihrem Mann in New York, ich teile das Haus seit Anfang Oktober nur noch mit Helen, der Tochter von Beatriz, und ihrem zweijährigen Sohn Josue, da Helens Mann seit Anfang Oktober für fünf Jahre in der Ukraine Musik studiert.
Sonst habe ich noch unzählige Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen; meine Gastoma hat nämlich 12 Kinder, die fast alle in Loja leben.
Na, raucht euch jetzt der Kopf? So ging es mir am Anfang auch, doch mittlerweile weiß ich, wer zu wem gehört und wer wie heißt und ich fühle mich richtig wohl in meiner Großfamilie.

Mein Tagesablauf hier in Loja ist eigentlich sehr geregelt. Meine Schule heißt „Instituto Tecnico Superior Daniel Alvarez Burneo“, ist riesig (3000 Schüler) und geht von 7.15 Uhr bis 13.00 Uhr. Ich bin im Abschlusskurs mit dem Profil Chemie-Biologie und meine Klasse besteht aus 36 Schülern. Meine Schulfächer sind Biologie, Chemie (jeweils sieben Stunden in der Woche), Englisch, Philosophie, Psychologie, Spanisch, Politik, Mathe und Sport.
An den Nachmittagen gebe ich Englisch in der Schuler meiner Gastmutter, gehe ins Orchester des Musikkonservatoriums, habe Saxophonstunden, jogge und treffe mich mit Freunden
.
In Ecuador geht man donnerstags, freitags und samstags aus. Da viele Mütter ihren Kindern allerdings nicht erlauben abends auszugehen, treffen sich die Jugendlichen einfach schon nachmittags um drei um in eine Disko oder Bar zu gehen, was für mich anfangs doch noch sehr befremdlich wahr…
Die Sonntage verbringe ich meistens mit meiner Familie in Malcatos, etwa eine dreiviertel Fahrtstunde von Loja entfernt, wo wir eine Finca haben. Dort ist es einfach traumhaft: total warm, weil es im Tal liegt, alles Grün, überhaupt kein Alltagsstress- ein Ort zum Auswandern! Das haben sich wohl viele gedacht und dies auch in die Tat umgesetzt – nicht weit von hier ist das Dorf der hundertjährigen, wo ganz viele Hundertjährige aus aller Welt leben.

Viel Fragen mich, wie das Wetter in Loja ist.
Man stelle sich typisches Aprilwetter vor – nur schlimmer! An einem Tag kann es Regen und Sonnenschein geben, warm und kalt sein- Umschwung ereignet sich oft in wenigen Minuten.
Die Außentemperatur beläuft sich aber normalerweise zwischen ca. 15 und 25 Grad.

Spannende und interessante Erlebnisse waren unter anderem die Castillos an den Feiern der Virgen de el Cisne (Feuerwerkstürme die mitten in der Menschenmenge angezündet werden – dass es da keine Toten oder zumindest Verletzte gab, hat mich schon gewundert), die Qualifikation Ecuadors für die WM 06 (Ja! Si se puede! Wir können das!) und mein Aufenthalt in einem ecuadorianischen Krankenhaus (der Tod kam zwar nicht von innen, dafür aber viel Hitze und Übelkeit – ich hatte mir zwei Infektionen eingefangen).
Die einzige Schattenseite hier bildet leider AFS Loja, deren Engagement, Hilfsbereitschaft und vor allem Organisationstalent sehr zu wünschen übrig lässt.
Dennoch habe ich bis jetzt dieses Jahr in Ecuador auf keinen Fall bereut und ich freue mich auf die nächsten acht Monate.

Nhomsai