Ecuador 2006

Ulrike Hettler

Hier beginnt so langsam aber sicher die Regensaison, heut hat es zum ersten Mal hier in Guayaquil geregnet, seit ich hier bin. Das heißt aber auch, dass jetzt die Insektenzeit beginnt (bähh). Heut morgen bin ich schon von einem sehr seltsamen Insekt angefallen worden…Schnee gibt’s hier leider nicht, dafür viele viele Palmen.

Mit dem ATJ geht’s echt gut, meine Familie und Freunde vermisse ich nicht, nur n paar Sachen, wie zum Beispiel das Frühstück, da das manchmal in meiner Familie n bisschen gewöhnungsbedürftig ist. Z.B. gab’s mal Shrimpsuppe und Fisch, oder s gibt ‚Küchle‘ aus mail oder Verdes (Kochbananen)…aber ich bekomm mittlerweile Brot zum Frühstück (das wird hier in der Familie auch relativ wenig gegessen. meine eine Schwester mag z bsp kein Brot und keine Butter…).
Sonst ist das Essen viel Reis und viel Suppe und sonst auch viel Fleisch, aber für meine Familie ist es glücklicherweise kein Problem, dass ich Vegetarier bin. Meerschweinchen wird an der Costa auch nicht gegessen, das ist eher in der Sierra traditionell, hier ist es Fisch und so.
Zu meiner Familie: fast alle Infos, die ich von AFS dazu bekommen hab, waren falsch, wie die Adresse, Alter der Familienmitglieder, E-Mail Adresse (ich weiß nicht, an wenn ich die erste Kontaktmail aus Deutschland geschickt hab…).
Also, ich hab meine Eltern, Architekt und Ärztin, eine Oma, 2 Schwestern, eine an der Uni und die andere im letzten Schuljahr, und noch eine Angestellte mit Tochter. Was n bisschen schade ist, dass ich mit meinen Schwestern nicht viel machen kann, da sie zum bsp am Wochenende nicht weggehen, was hier ziemlich selten ist. Und allein oder mit Freundinnen darf ich nachts nicht weg, das längste war einmal bis 1:00 Uhr nachts auf dem Schulball. sonst muss ich immer um 22:00 h zuhause sein, unter der Woche um 19:00. Außerdem darf ich nach 22:00 h kein Taxi benutzen, Bus sowieso nicht nach 20:00 und das macht das Fortbewegen etwas schwierig. aber immerhin darf ich tagsüber im Bus fahren, und das ist auch ne Sache für sich. Man kann überall auf der Route einsteigen, eine Fahrt kostet 0,25 $ und wenn man aussteigen will, geht man einfach zur Tür und der Bus hält an. Aber manchmal meint der Fahrer, dass er n Wettrennen mit anderen Bussen machen muss, und das ist dann sehr unbequem. Und zu der no-driving-Regel: ich würd’s hier echt nicht machen, der Verkehr ist schon gefährlich. anscheinend ist Guayaquil auch die gefährlichste Stadt gerade, aber davon hab ich persönlich noch nichts mitbekommen. Doch in der Zeitung wird viel von Banden und Schießereien und so berichtet (aber in die Gegenden, wo das stattfindet, komm ich gar nicht). dafür gibt’s hier ganz viel Militär, Polizei, Security und sonstige Formen von Sicherheitsdiensten.

AFS hier ist teilweise etwas doof. Die Ausflüge sind aber gut, letztes Mal waren wir zum Beispiel in einem Indigenas-Reservat in einer Plantage und später in nem (Regen?)Wald auf Klettertour. die ‚consejeros‘, die Betreuer, sind fast alle etwas älter. Meiner ist mein Französischlehrer in der Schule, aber total okay.

Nen kleinen Freundeskreis hab ich auch schon, und die Mädels sind total supernett und helfen mir, wo ich Probleme hab. Sie sind alle aus meinem Kurs in der Schule (ne reine Mädchenschule mit fantastischer Uniform…weißes Matrosenkleidchen…). ich hab aber auch das Gefühl, das ich auf einer der schlechtesten Schulen hier in der Stadt bin, das Unterrichtssystem ist auch total anders. der Lehrer spricht und die Schüler schreiben mit, ABER der Lehrer spricht in einem Irrsinnstempo, sodass es sehr schwierig ist, mitzuschreiben. ich bin in der Spezialisation ’sociales‘ d.h. ich hab viel Literatur, Psychologie, Philosophie, so was wie Gemeinschaftskunde, viel Geografie, aber kein Bio, Chemie, Physik, Musik, Kunst, Reli/Ethik. Englisch ham die seit 5 Jahren, können aber gar nichts, Franz seit einem Jahr, und da können die auch nichts.
In Geografie musste ich letzte Woche ca. 50 Karten vom amerikanischen Kontinent zeichnen (Grenzen, Berge, Flüsse, Meere, die einzelnen Länder, Ressourcen und so weiter. das muss ich jetzt noch mal machen, aber alles für Ecuador und seine 22 Provinzen. juhu…in Literatur muss ich von Sophokles ‚König Ödipus‘ und von Victor Hugo ‚die Elenden‘ lesen und n Resümee drüber schreiben, aber das ist soooo schwierig, da beides relativ alte Texte sind und mein Spanisch noch nicht so toll ist (hat sich aber erstaunlich gebessert, seit der Ankunft. hier sprechen die aber auch mit einem ziemlich blöden Akzent, sehr schnell und nuschelig-undeutlich)

Sonst ist man als Ausländer die totale Attraktion (manchmal auch negativ). Wenn ich z bsp nach der Schule heim laufe, wird mir immer irgendwas nachgerufen, aber immer nur von den Jungs (in der nähe ist n ‚gemischtes‘ colegio, und die haben zum gleichen Zeitpunkt Schulschluss…).
Zur Situation hier allgemein: es ist echt nicht so konservativ hier, wie ich dachte und wie’s im Infomaterial stand. Man kann hier ohne Probleme auch als Mädchen in kurzen Hosen rumlaufen. nur in der Beziehung ‚feste freunde‘ ist es schon ziemlich konservativ, und man wohnt bei den Eltern bis zur Hochzeit, vorher ausziehen wird nicht so toll angesehen. Die Beziehung zwischen Eltern/Elternteil und Kindern ist auch viel enger, und ganz viele sagen, sie können ohne ihre Eltern/Mama/Papa nicht alleine fort, oder verreisen und so.
Und zu den Telenovelas: ich find sie absolut furchtbar, schlimmer als die in Deutschland, aber das wird hier halt die ganze Zeit geschaut…

Ganz viele liebe Grüße
Ulli

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