Polen 2005/2006

Johanna Klees

Circa 5 Monate wohne ich jetzt schon in Kety, einer Kleinstadt 60 km von Krakau entfernt, also höchste Zeit zu berichten wie es mir hier so geht!

Ich lebe in einer für mich ziemlich großen Familie zusammen mit meiner Gastmutter Krystyna, meinem Gastvater Benedykt, meiner Gastschwester Zofia und zwei Gastbrüdern, Marek und Tomek. Unsere „Babcia“ (Oma), meine zweite Gastschwester Anna, ihr kleiner Sohn und ihr belgischer Ehemann, sowie mein ältester Gastbruder und seine Frau, wohnen nur um die Ecke. Zusammen mit den zwei Hunden macht das einen ganz interessanten Haufen!!

Zur Schule gehe ich in einem der städtischen Liceen, in die erste Klasse. (Ins Lyceum geht man im Alter von 16 bis 18)
Meine Schule hat ein hauseigenes Schüler-Fithalte-Programm, was heißt, dass wir drei Schulgebäude haben, eines ca. 500 m entfernt von den anderen beiden und im Durschnitt dreimal pro Tag das Gebäude wechseln müssen.
Im Winter ist das nicht wirklich angenehm, hat aber auch seine guten Seiten: Den auf dem Weg liegenden „Sklep“ (Laden) zum Beispiel…
Unser Schultag beginnt ziemlich unterschiedlich. Manchmal müssen wir uns schon um sieben Uhr zum Unterricht quälen, manchmal können wir bis um halb 10 ausschlafen.
Einmal in der Schule angekommen, wird es aber meistens etwas langweilig. Unterricht sieht hier leider noch immer etwas sehr lehrerbezogen aus, was heißt, dass wir zum Beispiel in den vielen wöchentlichen Polnischstunden fast nur schreiben, in Geschichte oder Physik zuhören und eigenständiges Arbeiten, wie Referate so gut wie nie vorkommen.
Für mich ist das praktisch, weil zuhören nun mal einfacher ist, als auf Polnisch Referate über biologische Zusammenhänge zu halten, aber es führt oft dazu, dass die halbe Klasse in süßen Träumen vor sich hindämmert…
Aufgewacht wird aber spätestens bei der nächsten „Kartkowka“ (Test)…
Als Fächer habe ich 5 Stunden Englisch und Polnisch in der Woche (Englisch-sprachliches Profil), außerdem drei Stunden Deutsch (laaangweilig, des kenn ich doch alles schon!), Biologie, Geografie, Chemie, Physik, Geschichte, Mathematik, Sport und PO. Während dem PO-Unterricht lernt man etwas über erste Hilfe, Orientation im Gelände, die polnische Armee und andere Dinge, die ein Staatsbürger wissen sollte. Vorgestern zum Beispiel musste ich versuchen eine Puppe durch Herzmassage und künstlicher Beatmung zu „reanimieren“.

Meine Familie ist superlieb und ich verstehe mich vor allem mit meinen beiden Gastbrüdern klasse. Besonders am Anfang haben mir alle sehr geholfen. Schließlich war meine Kommunikationsfähigkeit trotz der Privatpolnischstunden, die ich in Deutschland hatte, etwas beschränkt. Es ist schon ein krasses Gefühl, wenn man einfach nur fragen will: „Kannst du mir das erklären?“ oder „Kann ich dir helfen?“ und bekommt es nicht auf die Reihe, weil man schon wieder vergessen hat, dass „wyjasnic“ „erklären“ und „pomagac“ „helfen“ heißt.
Glücklicherweise konnte ich mich aber bei meinen Gastgeschwistern und meinem Gastvater auf Englisch durchfragen, und meine Gastmutter hat sich einfach die Zeit genommen, mir alles dreimal zu erklären und auch mal 5 Minuten zu raten, was ich wohl meinen könnte. Außerdem habe ich (vor allem in der Schule) festgestellt, dass ein Wörterbuch wirklich sehr praktisch sein kann (und sei es nur um geschickt Spickzettel zu tarnen…).

Und- oh Wunder- nach einer Woche habe ich tatsächlich schon angefangen etwas von der Konversation um mich herum zu verstehen und nach zwei Wochen hat mein Kopf aufgehört von der ständigen Überanstrengung durch Verstehen-wollen-und-versuchen wehzutun.
Da ich immer etwas zu faul zum Vokabeln lernen bin, habe ich hiermit wohl die beste Art gefunden eine Sprache zu lernen. Schwierig wird es erst, wenn man von mir verlangt, dass ich auch grammatikalisch richtig spreche… Ich möchte gar nicht wissen, was für Fehler ich da manchmal mache!

Nach der Schule, die immer bis ca. zwei oder drei Uhr dauert, gibt es hier einige Freizeitgestaltungsmöglichkeiten, wie Sportvereine, Musikschule etc. Weil es in der Schule aber ziemlich hart zugeht (Auswendiglernen!!) und viele außerhalb wohnen, machen die meisten Jugendlichen nicht zu viel.
Ich bin mindestens einmal in der Woche in der „Swietlica“, einer Art Betreuungsstätte und Hausaufgabenhilfe für Kinder und helfe ihnen beim Mathe-, Englisch- oder Deutschlernen.
Ansonsten habe ich Flötenunterricht und Polnischstunden.
Abends oder am Wochenende unternehme ich meistens etwas mit meiner Gastfamilie.
Wenn ich nach Deutschland zurückfahre werde ich wohl professionelle Billardspielerin sein :-).

Hm, was kann ich sonst noch sagen? Vielleicht noch etwas über das Wetter in dem Tatren und Karpaten nahen Südpolen: Kalt!
Jedenfalls von November bis Februar. Ich hoffe nur, dass der Frühling sich beeilt!
Bei Temperaturen um -15 bis -20 Grad fällt es mir schon schwer das Haus zu verlassen und wenn meine Gastbrüder vergessen im Ofen zu heizen wird es auch im Zimmer ungemütlich.
Die echt interessante Umgebung hier (Auschwitz 20km, Zakopane + Skisprungschanze 80km, Krakau 60km, tschechische Grenze 60km, Gebirge und Naturschutzgebiete…) werde ich wohl erst ab März oder April besichtigen können.

Das wär’s dann erst mal, ich kann nur noch sagen, dass ich (noch) sehr glücklich bin über meine Entscheidung und mich pudelwohl fühle.

Grüßle, Johanna