USA 2006/2007

Helena Beck

Jetzt ist es schon Mitte August 2007 und ich kann kaum glauben, dass mein Austauschjahr im kleinen Port Byron im Bundesstaat New York bereits hinter mir liegt. Es kommt mir immer noch unwirklich vor, jetzt wieder in Deutschland zu sein, meine Familie und Freunde nach einem Jahr wiederzusehen, nur noch Deutsch zu hören, wenn man Laden betritt oder Straßenschilder und Werbeplakate plötzlich wieder in deutscher Sprache zu lesen. Doch genauso gut kann ich mich noch an den 09.08.2006 erinnern, als ich mich genauso fremd und wie in einem Traum gefühlt habe, nämlich der Tag, als ich zum ersten Mal amerikanischen Boden betreten habe. Damals war ich noch total aufgeregt mit vielen anderen PPPlern am Flughafen in Newark/ New Jersey gestanden und stolz haben wir Bilder unter dem Schild „Welcome to the United States of America“ gemacht, sind mit dem Bus dann direkt durch New York City gefahren und haben gesehen, was wir bisher nur auf Postkarten zu sehen bekommen hatten. Vom JFK Flughafen musste ich dann alleine nach Rochester/NY fliegen, was für mich schon eine erste Herausforderung war, denn jetzt konnte ich keinem Deutschen AFS- Betreuern wie in Frankfurt mehr hinterherlaufen, sondern musste mit meinem mehr oder weniger guten Schulenglisch selber bis nach Rochester kommen. Dort gut aber müde um 1 Uhr morgens angekommen, wurde ich erst mal von einem lokalen AFSer abgeholt und in das nahe gelegene „Bristol Hill“ zum „Arrival Camp“ gebracht, wo ich auf ganz viele andere Austauschschüler aus aller Welt traf. Die darauffolgenden 24 Stunden bestanden aus Schlafen und sogenannten „Orientations“, bei denen uns die wichtigsten „Survial Tipps“ und Informationen über die ersten Wochen in der neuen Heimat nahe gelegt wurden. Der Leiter meiner Gruppe war genauso, wie ich mir einen Amerikaner immer vorgestellt hatte- breites Grinsen, braungebrannt, Baseball Cap und eine doch etwas breitere Statur. Während die anderen 3 Gruppen das ausgeteilte Handbuch extrem detailliert durchgearbeitet hatten, erklärte unser Betreuer uns innerhalb von 20 Minuten in einem sehr breiten Slang und Kaugummi kauend, was er für wichtig hielt und was seine persönliche Meinung zu einigen AFS- Regeln ist. Er betonte sehr, dass der Kontakt mit Deutschland sehr wichtig sei und man ohne Probleme täglich eine Stunde am PC verbringen könne, um zu chatten und Emails zu schreiben, eine Einstellung, die wohl von den wenigsten AFSern geteilt wird und auch später in meiner Gastfamilie mal zu einer Auseinandersetzung führen sollte. Nach dieser kurzen Einführung in das kommende Jahr meinte er, wir sollten den Tag lieber sinnvoll nutzen und brachte uns erst einmal zu einem „ice- cream Shop“, wo ich zum ersten Mal „cookie dough“ und „peanutbutter chips“- Eis aß. Am Abend war es dann soweit- der Moment, den man sich in Deutschland noch schon so oft ausgemalt hatte- man stand zum ersten Mal seiner amerikanischen Familie gegenüber. Ich war so aufgeregt, aber als ich meiner Gasfamilie dann zum ersten Mal gegenüber stand, hatte ich eigentlich ein ganz gutes Gefühl. Vor allem meine 14-jährige Gastschwester und meine Gastmutter machten einen total netten Eindruck, mein Gastvater war eher eines etwas ruhigeren Gemütes, aber auch sehr nett. Schon im Auto ging es total lustig zu und ich dachte an die Worte, die mein Kaugummi kauender, immer fröhliche AFS- Mitarbeiter mir ans Herz gelegt hatte, bevor ich zu meiner Gastfamilie ins Auto gestiegen bin „take care, girl! this is your year, make the best out of it“, ich fühlte mich richtig wohl bei meiner neuen Familie, war glücklich, dass ich so ziemlich alles verstand und mich selbst auch größtenteils ohne Probleme verständigen konnte. Auf der Heimfahrt fuhren wir natürlich erst mal durch den Drive through bei McDonalds, wo sich jedes Mitglied meiner Gastfamilie erst mal mehrere Burger, eine große Portion Pommes, Milkshakes, Cola, etc. bestellte- ich war überrascht, wie viel jeder der drei verputzte und in welcher Geschwindigkeit. Sie waren ganz besorgt, weil ich mir „nur“ ein Wasser, Pommes und einen Hamburger bestellte. Nun ja, ich sollte mich an die amerikanische Esskultur doch noch ganz gut gewöhnt haben, wenn ich da an meine zu eng gewordenen Hosen in meinem Kleiderschrank denke. Angekommen in meinem neuen Zuhause, musste ich leider feststellen, dass ich in einem ziemlichen Chaos gelandet war- das Haus war sehr klein, heruntergekommen und unordentlich, es gab mehr dreckiges als sauberes Geschirr, die Tiere haben sozusagen auf dem Esstisch gewohnt und auf dem Tisch im Esszimmer konnte man auch nichts abstellen, weil da leider noch die Essensreste der vergangenen Tage herumstanden. Ich war aber noch so glücklich, dass meine Gastfamilie so nett zu sein schien, dass ich einfach probiert habe, mich von dem mir bietenden Anblick nicht all zu sehr aus der Fassung bringen zu lassen. Ich lernte dann auch meinen damals 19- jährigen Gastbruder kennen, der gerade von einem Baseball- Spiel heimkam, da er für sein College- Team spielte und deshalb nicht mitkommen konnte, als ich abgeholt wurde. Er rief mir „hey, what’s up?“ zu, ohne seine Augen jedoch vom Fernseher abzuwenden, da er gerade mit viel Spannung ein Footballspiel anschaute. Ich verstaute erst mal mein Gepäck in dem Zimmer, welches ich mir mit meiner Gastschwester teilen sollte. Leider war kein Schrank oder ähnliches für mich vorgesehen, somit sollte ich die kommenden 4 Wochen aus dem Koffer leben. Ich überreichte danach meiner Gastfamilie die Mitbringsel- eine Spätzlemaschine, eine DVD über meine Heimatstadt, eine CD mit deutscher Musik, eine Deutschlandflagge und natürlich deutsche Schokolade, welcher sich besonderer Beliebtheit erfreute und endlich auch mal meinem doch gut beleibten Gastvater ein paar entzückte Ausrufe wie „how lovely, wonderful und that’s so nice of you“ entlockte. Innerhalb weniger Stunden waren alle Pralinen mit vielen „awesomes“ dann aufgegessen. In den nächsten Tagen wurde mir dann die ungefähr 8km entfernte Stadt Auburn gezeigt und die ganze Familie mit allen Onkels und Tanten, Großeltern und Cousins ging für 3 Tage campen. Das war eine schöne Zeit, da ich es erstens aus Deutschland nicht gewohnt war, so viele Onkels, Tanten und so viele kleine Cousins und Cousinen um mich zu haben, und mich zweitens jeder behandelte, als würde ich schon immer zur Familie gehören. Sie fanden einfach alles „so wonderful, cute, lovely und amazing“, was ich tat und sagte- vor allem mein English fanden sie „very good“ und meinen Akzent „funny und cute“ und sie sagten mir immer wieder, ich solle diesen doch nie verlieren, was ich allerdings schon hoffte. Diese Höflichkeit und Gastfreundschaft war etwas, was mir in den USA von Anfang an als sehr positiv aufgefallen war und ich in Deutschland oft vermisse. Die Leute in Amerika sind zum größten Teil sehr aufgeschlossen Ausländern gegenüber, unglaublich hilfsbereit und auch, wenn man eine Person erst gerade kennen gelernt hat, werden einem ständig Komplimente gemacht, sei es zur Frisur, zum Pullover oder dann doch wieder zu dem „nice accent“, auch im Supermarkt fragt einen die wildfremde Kassiererin grundsätzlich „how are you today?“, allerdings erwarten sie keinesfalls eine detaillierte Beschreibung des persönlichen Befindens, sondern nur die Standardantwort „Very good“. Jedoch muss ich später des öfteren feststellen, dass diese Höflichkeit doch sehr oberflächlich ist und Verlässlichkeit eben nicht gerade groß geschrieben wird. Die Verwandten „kannten“ auch fast alle irgendeinen Deutschen, zumeist war die betreffende Person ein doch sehr weitläufiger Bekannter, wie z.B. der Vater des Schulfreundes des Nachbars der 1965 mal für 3 Monate in Deutschland in Hintertupfingen gewohnt hat und der auf den Namen Ralph oder Paul hörte; natürlich erwarteten sie, dass ich ihn kenne. Vom Camping- Ausflug zurückgekommen, fing dann bei den anderen Mitgliedern der Familie wieder der Alltag an- meine Gasteltern und mein Gastbruder gingen den ganzen Tag arbeiten, meine Gastschwester und ich waren zu Hause und zum ersten Mal kam Langeweile auf und ich hatte Heimweh. Wir saßen den ganzen Tag nur im Haus rum, meine Gastschwester chattete mit ihren Freunden, ich kannte ja noch niemanden außer den Familienmitgliedern- somit schrieb ich Emails nach Deutschland, was das Heimweh nur noch schlimmer machte und schaute fern. Zum ersten Mal fragte ich mich, wollte ich das eigentlich, oder viel mehr, was suchte ich überhaupt hier? Meine Familie und Freunde waren alle 9000km entfernt, es war mitten in den Sommerferien, ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie schön es gerade in Deutschland sein würde. Ich hingegen saß in einem ziemlich unordentlichen Haus und jeder Tag war gleich. Als meine Gasteltern dann abends vom arbeiten heimkamen, waren sie gestresst und müde. Meine Gastschwester war auch nicht mehr so freundlich zu mir, wie sie das am Anfang gewesen war und ich fühlte mich so einsam wie noch nie. Die Schule fing ja erst am 7. September an, aber zum Glück fingen zwei Wochen vorher die „fall Sports“ (Sportarten im Herbst) an und ich entschied mich Field Hockey zu spielen, weil meine Gastschwester das auch spielte und ich Lust hatte, mal etwas Neues auszuprobieren. Von jetzt an hieß es morgens um 6 aufstehen, denn um 7 fing das Training an. Ich schaffte es dann auch ins Team und das Wichtigste war, dass ich durch das tägliche Training viele Leute kennen lernte- eine willkommene Abwechslung denn mit meiner Gastfamilie verstand ich mich leider immer schlechter. Ich hatte mich auch schon mit meiner AFS- Betreuerin vor Ort unterhalten um mit ihr über meine Probleme zu reden und sie hat mich auch immer sehr unterstützt und mir viele Tipps gegeben. Endlich war dann der erste Schultag gekommen, für mich ein sehr ereignisreicher Tag. Zum einen natürlich, weil ich nun endlich ganz viele Leute kennen lernte, viele davon sollten am Ende des Jahres zu meinen engsten Freunden zählen, natürlich war ich auch auf den Unterricht gespannt und auf alles andere des typisch amerikanischen Schulalltages , worüber mir soviel erzählt wurde. Der erste Schultag war dann auch ziemlich exakt so, wie ich ihn mir ausgemalt hatte. Ich bekam wie jeder andere Schüler einen „locker“ (Schließfach), wobei es mir anfangs äußerst schwer viel, dieses mit der Zahlenkombination zu öffnen und man innerhalb von 3 Minuten zu seinem „locker“ und danach zur nächsten Stunde rennen musste, welche sich unter Umständen genau im gegenüberliegenden Teil des Schulgebäudes befand. Alle Mitschüler waren sehr neugierig und total nett. Wieder wurden mir die gleichen Frage gestellt wie damals beim Campen mit der Familie und wieder wurde mir gesagt, wie „cute“ mein „accent“ sei. Man kommt sich vor, als wäre man der beliebteste Schüler der Schule, dabei hat man doch noch nicht viel außer „thank you“ und „I’m from Germany“ gesagt. Den meisten Lehrern musste ich sagen, dass ich Austauschschülerin war oder sie haben es erst gemerkt, als ich etwas nicht verstanden habe und nachfragen musste. Die Schule an sich ist total klein, was ich am Anfang eher als Nachteil sah, worüber ich inzwischen aber anders denke, denn ich habe mich sehr schnell zurecht gefunden und kannte einfach jeden. Es erleichtert einem den Einstieg sehr, wenn man jeden Tag bekannte Gesichter trifft.

Außerdem war dies der Tag, an dem ich meine Gastfamilie wechselte. Mir fiel diese Entscheidung nicht leicht und es war wohl eine der schwersten Momente in meinem Jahr, als ich mit meiner AFS- Betreuerin am Tisch saß und es meiner Gasfamilie beibringen musste, ohne deren Gefühle zu verletzen. Ich persönlich wollte gar nicht wechseln, aber meine Betreuerin hat mich dazu gedrängt, weil sie meinte, ich würde kein gutes Jahr haben, wenn ich in dieser Familie bliebe. Jetzt im Nachhinein frage ich mich sehr oft, ob dieser Wechsel nötig und richtig war. Auf der einen Seite war ich anfangs total erleichtert, als ich dann bei meiner Betreuerin eingezogen war- ein schönes großes Haus, ein eigenes Zimmer, freundliche und nicht dauernd gestresste Menschen in meiner Umgebung. Auf der anderen Seite werde ich die enttäuschten Gesichter jedes einzelnen Familienmitglieds niemals vergessen. Ich denke, sie haben mich wirklich gemocht und können bis heute nicht verstehen, warum ich nicht bei ihnen geblieben bin. Jetzt im Nachhinein muss ich sagen, muss ich zugeben, dass ich wahrscheinlich genauso viel Verantwortung für das nicht gerade harmonische Zusammenleben mit dieser Familie trage wie diese selbst und gebe ihnen deshalb nicht die Schuld daran, dass es zum Wechseln gekommen ist. Ich denke, ich hatte damals auch sehr viele Erwartungen, die eben nicht ganz erfüllt wurden und war deshalb enttäuscht und habe die Fehler bei der Familie gesucht. Ich habe dann zwei Wochen bei meiner AFS- Betreuerin gewohnt und diese hat gemeint, ich soll mir selbst eine Gastfamilie suchen, also durch Freunde in der Schule. Wie es die Ironie so will, sollte ich ausgerechnet zur Familie der Freundin meines Gastbruders aus der ersten Familie ziehen. Meine neue Gastschwester war das ganze Jahr über eigentlich meine beste Freundin und deshalb hat es schon gut gepasst, vor allem, da wir uns ein Zimmer teilten. Allerdings war die Beziehung zu meinem „ex- Gastbruder“ zu Beginn etwas schwierig, da ich ihn ja jetzt wieder fast jeden Tag sah. Aber nach ein paar Monaten hat sich das dann gegeben und inzwischen verstehen wir uns wieder richtig gut. Meine neue Gastfamilie war das Gegenteil der ersten, das Haus war sehr ordentlich und wunderschön. Mein Gastvater war Sheriff, total nett, aber leider nie daheim, ich hatte leider das ganze Jahr das Gefühl, ihn nicht wirklich zu kennen, da er höchstens zwei Minuten am Tag daheim war und in diesen dann entweder beim Jagen oder Fischen war, oder sich im Jagdprogramm des Fernsehens immer ganz gespannt angesehen hat, wie ein Jäger stundenlang auf dem Hochsitz wartet, dann einen Hirsch erschießt und schließlich stolz in die Kamera grinst und dabei unaufhörlich „nice dear, nice dear“ murmelt; Je nach Saison wird das Jagdprogramm dann im Frühjahr vom Fischprogramm abgelöst und es ruft „nice fish, nice fish“ aus dem TV, das übrigens so ständig läuft und um den sich das Familienleben abspielt. In meiner Familie wurde auch vor dem Fernseher gegessen, so etwas wie eine gemeinsame Mahlzeit gab es nicht. Meine Gastmutter ist sehr darauf fixiert, dass das Haus immer blitzblank geputzt ist, was mir aber sehr willkommen war, sie selbst immer perfekt aussieht, was ich etwas übertrieben fand und immer darauf bedacht war, dass sie nach außen absolut den Eindruck der perfekten Familie vermitteln. Aber meine Gastmutter konnte auch total lustig sein und wenn die Familie mal ganz spontan etwas unternommen hat, dann habe ich da sehr viele schöne Erinnerungen. Allerdings hat die Beziehung leider oft auch durch Misstrauen, strenge Regeln und Streit innerhalb der drei Mitglieder meiner Gastfamilie gelitten. Das beste Verhältnis hatte ich das ganze Jahr über zu meiner Gastschwester, wir waren immer füreinander da und ich vermisse es, eine große Schwester zu haben.
In der Schule habe ich vor allem die ganzen Sportangebote genossen und habe Field Hockey, Volleyball und Tennis gespielt. Man findet viel leichter Freunde und es macht auch Spaß, zu den ganzen Spielen an anderen Schulen zu gehen, um selbst zu spielen oder zum Beispiel um das Football- oder Baseball Team anzufeuern, auch wenn unsere Schule nicht besonders erfolgreich war. Es macht auch deshalb besonders viel Spaß, einer Sportmannschaft anzugehören, weil man so richtig zum Team dazu gehört hat und auch wenn man nicht gerade zur Elite der Mannschaft gehörte, wurde man immer durch viele „good job’s angefeuert. Ich war in Field Hockey z.B. spielerisch bestimmt nicht gerade ein Gewinn für das Team, ich hatte in Deutschland ja noch nie in meinem Leben von dieser Sportart gehört, aber es hat trotzdem total Spaß gemacht und ich vermisse es richtig. Es werden auch nicht alle Klischees der High School Movies erfüllt, an meiner Schule waren die meisten der Cheerleader nämlich keinesfalls die populären, arroganten und überdurchschnittlich schönen Mädchen, die meisten waren ganz normal und nett. Der Unterricht an sich war eher langweilig und ziemlich einfach- in Mathe lernte ich das, was ich in Deutschland in der 7. Klasse gelernt hatte und ausgerechnet in Englisch war ich eine der besten, obwohl ich mir nicht mal besonders viel Mühe gab. Mir kam es oft so vor, als wären die amerikanischen Schüler ziemlich uninteressiert, da für sie eine normale Unterrichtsstunde so ablief: in den Raum schlürfen, die Bücher auf dem Tisch möglichst so in Position bringen, dass sie als Kopfkissen taugen und dann wird 38 Minuten lang gedöst, bis die Stunde vorbei ist. Der Lehrer hält ungestört seinen Frontalunterricht, klopft nur ab und zu auf den Tisch, um einen doch zu laut schnarchenden Schüler unsanft aus seinen Träumen zu reißen. Mündliche Mitarbeit ist ein Fremdwort, und wenn doch mal ein Schüler sich dazu aufreißt, seine Meinung zu teilen, dann meldet er sich nicht, sondern sagt es einfach laut, um danach seinen Kopf wieder erschöpft auf das „Buchkissen“ sinken zu lassen. Eine richtige Diskussion innerhalb der Klasse kam eigentlich nie auf. Der Geschichtslehrer zum Beispiel stellte mir schon ab und zu eine Frage, als zum Beispiel der Zweite Weltkrieg behandelt wurde, er hat sich aber nie getraut, in meiner Anwesenheit irgendein kritisches Wort über Deutschland fallen zu lassen. Er hat mich auch gefragt, ob Hitler in Deutschland verehrt wird und er eine Position hat wie zum Beispiel George Washington in den USA. Wenn man mal bedenkt, wie z.B. der Geschichtsunterricht ausgelegt ist, muss man sich ja nicht über das etwas Amerika verherrlichende Weltbild vieler Amerikaner wundern, denn die Dinge, mit denen sich die USA geschichtlich vielleicht nicht gerade rühmen kann, die werden eben ganz schnell und oberflächlich behandelt und werden zumeist so dargestellt, dass sie eben trotzdem notwendig und richtig für das Land waren, auch wenn es ein paar Menschenleben gekostet hatten. Es wird alles immer aus der „Wir- Perspektive“ erzählt- wir sind in den Krieg gezogen, wir haben damals gegen die Engländer gekämpft,…Alle 2 Wochen werden dann Tests mit Multiple Choice Aufgaben ausgeteilt, wobei die Antworten zumeist sehr eindeutig sind. Ich möchte jedoch das amerikanische Schulniveau nicht grundsätzlich bewerten, weil ich mir sicher bin, dass in einem so großen Land wie den USA natürlich enorme Unterschiede bei den vielen verschiedenen Schulen gibt. Schule war für mich also eher da, um mit Freunden das Wochenende zu planen und nachmittags Sport zu machen. Viele der amerikanischen Schüler haben auch während der Schule einen Nebenjob, wobei sie nicht selten bis 11 Uhr abends arbeiteten, daher konnte ich es auch irgendwie nachvollziehen, dass sie mit Sport und Job nicht auch noch Energie für Schule und Hausaufgaben hatten, obwohl man sich natürlich schon fragen muss, ob die Prioritäten hierbei nicht anders gesetzt werden sollten. Als wir die Präsentation über Deutschland halten sollten, entschied ich mich, diese in der „Middle School“ in einer sechsten Klasse zu halten. Ich war wirklich total positiv überrascht über die Reaktionen der Schüler, da mir so viele Fragen gestellt wurden und ihr Interesse und ihre Begeisterung echt waren. Immer wieder wurde ich während dem Rest des Jahres dann von ihnen angesprochen, ob sie nächstes Jahr nach „Germany“ kommen dürfen und 20 von den 22 Kindern wollen jetzt auch ein Auslandsjahr machen. Mir ist natürlich klar, dass dies total unrealistisch ist, und dass- wenn überhaupt- vielleicht einer oder eine von ihnen ein zukünftiger Austauschschüler werden wird, aber trotzdem freue ich mich, ihr Interesse an anderen Ländern sosehr geweckt zu haben und aus den geplanten 45 Minuten des Vortrag wurden drei Stunden. Eine Sache, an die ich mich zu Beginn nur schwer gewöhnen konnte, ist die Unverbindlichkeit der Amerikaner- zwar waren sie von Anfang an immer freundlich und höflich, man wurde schon am ersten Schultag zu allen möglichen Partys und Unternehmungen eingeladen, und jedes Gespräch wurde mit einem „OK, talk to you later“ beendet, aber ich musste oft feststellen, dass es dieses „later“ nie gab, und auch die Einladungen nicht immer ganz ernst zu nehmen waren, denn wenn man dann später wieder auf die Leute zukam, wussten diese oft nichts mehr von ihren eigenen Plänen und man wurde oft mit einem unverbindlichen „just call me some time this weekend“ vertröstet. Auch wenn ich beschrieben habe, ich habe mich am ersten Schultag noch sehr zugehörig gefühlt, muss ich zugeben, dass man am zweiten Schultag schon nicht mehr ganz so der Mittelpunkt war und ich mich nach ca. drei Schultagen ziemlich alleine gefühlt hatte. Natürlich gab es von Anfang an mehr oder weniger enge Freundschaften, aber bis ich so richtig gute Freunde hatte und die Leute an meiner Schule so einigermaßen einschätzen und beurteilen konnte, hat es schon einige Monate gedauert. Meine Gastfamilie war außerdem immer sehr besorgt um mich und ich hatte, was wohl in den USA aber allgemein so zu sein scheint, viel weniger Freiheiten als zu Hause. Meine Curfew war leider 23 Uhr, manchmal konnte ich es mit viel Überredungskünsten auf 0.00 Uhr „hochhandeln“, da meine 18- jährige Gastschwester jedoch auch schon Punkt 11 im „driveway“ stehen musste, wollte ich mich ja nicht zu sehr beklagen. Auch waren sie immer sehr besorgt, wenn es darum geht, mit wem ich mitfahren durfte, was vor allem am Anfang, als sie meine Freunde noch nicht kannte, oft zu Diskussionen geführt hatte. Ich konnte die Angst meiner Gasteltern zwar verstehen, da man bei uns sehr oft in den Nachrichten von weiteren Opfernd des „Drunk Driving“ las, jedoch hätten sie mir schon vertrauen können, dass ich nicht zu jemand Betrunkenem ins Auto steige. Außerdem gibt es in New York State die Regelung, dass unter 18- Jährige nur bis 21 Uhr fahren dürfen, diese Regel wird allerdings nur von den wenigsten eingehalten. Abends ausgehen hieß meistens ein Footballgame, Kino, Schlittschuhlaufen, Bowling, etc., dass wir Deutsche in „Clubs“ gehen und unser „Drinking age“ 16 ist, wurde mit viel Erstaunen hingenommen. Neben dem Drinking Age war es vor allem die Autobahn, also „no speedlimit“, was die Amerikaner am meisten an Deutschland interessierte. Sonst war ich eher überrascht über die Fragen, die mir zu Deutschland gestellt wurden und ich habe oft daran gezweifelt, ob sie ernst gemeint waren. Ob Hitler noch lebe, ob Deutschland kommunistisch sei oder ob wir in Deutschland Flugzeuge haben, waren nur ein paar der mir immer wieder gestellten Fragen. Auch die geographischen Kenntnisse der meisten Mitschüler waren nicht gerade rühmlich, denn Behauptungen, dass Deutschland in Asien läge und die immer wieder gestellte Frage, ob ich schon mal in Europa war, sind nur einige Beweisstücke hierfür. Auch fiel es den Amerikanern sehr schwer, sich zu merken, welche Sprache man in Deutschland spricht, oft wurde auf schwedisch getippt. Auch nachdem man sich geeinigt hatte, dass es in Deutschland Flugzeuge gab, stellte es für viele Amerikaner ein Rätsel dar, wie ich denn jetzt noch mal in die USA gekommen sei. Wenn ich zum Spaß „mit dem Bus gesagt habe“, haben sie mir das genauso geglaubt wie „mit dem Schiff“. Auch waren viele Amerikaner davon überzeugt, dass eigentlich so ziemlich alles aus den USA kommt. Als ich zum ersten Mal in Auburn war und wir an einem Aldi- Markt vorbeifuhren, habe ich begeistert gerufen, „oh cool, Aldi, that’s German“, worauf meine Gastschwester mir nur lächelnd erklärt hat, dass es den Aldi schon immer gab und er deshalb auf jeden Fall „American“ sei. Aber ein Aldi in Amerika geht neben riesigen Geschäften wie „Wal Mart“ sowieso unter. Es wird natürlich sogar ein Kaugummi mit Kreditkarte bezahlt und es gibt dann für jeden Laden noch spezielle Kredit- Kunden- und Rabattkarten. Somit sammeln sich im Durchschnittsgeldbeutel eines Amerikaners bestimmt 25 Karten an. Schon mehrere Male ist es mir hier in Deutschland seit meiner Rückkehr passiert, dass die Läden leider bereits geschlossen hatten, als ich noch schnell etwas einkaufen wollte- tja, ich muss mir von jetzt an wohl wider einen anderen Tag als den Sonntag fürs „Shopping“ aussuchen, und vielleicht nicht erst um 22 Uhr losgehen. Ich dachte immer nur „America is big“, ich habe noch nie so große Supermärkte wie in Amerika gesehen. Man muss dort nur in einen Laden gehen und der hat einfach alles, vom Schmuck über 200 verschiedene „cereals“ Sorten bis hin zu einem ganzen Regal voller nicht verschreibungspflichtiger Medikamente. Wir haben auch den Großteil aller Medikamente im Supermarkt gekauft und ich habe noch nie in meinem Leben so viele Medikamente genommen wie in diesem Jahr: gegen ein bisschen Kopfweh hier, ein bisschen Bauchweh da, leichter Husten oder Zahnweh. Für jedes Wehwehjehchen hatte meine Gastmutter immer die richtige Tablette dabei. Am Ausgang des Supermarktes gab es natürlich immer ein Fast Food Restaurant, damit man sich erst mal stärken konnte. Auch beeindruckt war ich von den riesigen „malls“ (überdachte Einkaufszentren), die ich auch wirklich vermisse. Meine Gastmutter, Gastschwester und ich sind da oft von früh morgens bis spät abends einkaufen gegangen, es gibt da einfach die verrücktesten Läden, von edlen Designern bis hin zu riesigen „Walt Disney Läden“, in jeder mall gibt es dann auch noch ein Kino und natürlich einen „Food Court“, wo zahlreiche Fast Food Restaurants ihre Burger brutzeln. Außerdem war ich total überrascht, als mir beim Einkaufen plötzlich ein Lehrer meiner Schule das Wechselgeld in die Hand gedrückt hat- unvorstellbar, dass man in Deutschland seinen Geschichtslehrer plötzlich hinter einen Ladenkasse stehen sehe. Auch viele alte Leute haben noch einen Job, um ihre spärliche Rente etwas aufzubessern.

Ein paar Highlights meines Jahres waren z.B. Thanksgiving, als wir zu den Verwandten meiner Gastfamilie nach North Carolina fuhren und ich zum ersten Mal den traditionellen Truthahn essen durfte. Oder Weihnachten mit dem größten Weihnachtsbaum, den ich je gesehen habe und der außerordentlich farbig geschmückt war. Statt in dezentem Rot und Gold, wie ich das bisher gewohnt war, dominierten vor allem ein sehr giftiges Grün und Pink, sowie ein leuchtendes Blau bei der Dekoration. Die Weihnachtszeit habe ich aber in sehr schöner Erinnerung, wenn ich am 24. schon auch ein bisschen Heimweh hatte, denn in den USA ist ja der 25. der große Tag. Weil die ganze Verwandtschaft an diesem Tag zu uns kommen sollte, mussten meine Gastschwester und ich schon um 6 morgens aufstehen, um Geschenke aufzumachen. Ich werde wahrscheinlich nie wieder in meinem Leben im Schlafanzug und müde auf Weihnachtsbildern zu sehen sein. Ich wurde reich beschenkt, (ich habe ja jetzt 2 Familien) und es ging total lustig zu, da es in der Familie Tradition war, sich gegenseitig auch ein ziemlich nutzloses Geschenk zu machen, wie z.B. eine hässliche Vase, die man das Jahr zuvor von seiner Schwiegermutter bekommen hatte und für die man einfach keine Verwendung hat, als sie seinem Schwager z.B. weiterzuschenken.

Neben den Feiertagen erinnere ich mich auch an die vielen Ausflüge mit meinem sehr engagierten AFS- Team vor Ort sehr gerne. Wir machten z.B. Ausflüge zu den Niagarafällen, Washington DC, Albany und Boston, wobei mir vor allem letztere Stadt besonders gut gefällt. Außerdem standen gegen Ende des Schuljahres noch weitere Highlights wie Prom, der Senior Trip nach Virginia Beach oder Graduation an. In den USA werden ja viele große Schulveranstaltungen durch „fundraising“ finanziert, oft besteht dies darin, dass z.B. Süßigkeiten verkauft werden, aber speziell für Prom gibt es traditionell „Donkey Basketball“ (Also Basketball auf Eseln), wobei die „juniors“ gegen die „seniors“ sich ein ehrgeiziges Spiel liefern, allerdings bekommt jeder Mitspieler einen Esel und der Ball darf nur empfangen oder gespielt werden, wenn man auf einem Esel sitzt. Das Spiel wird allerdings alle 30 Sekunden unterbrochen, nämlich immer dann, wenn der Esel mal „für kleine Eselchen muss“, was dann von seinem Reiter aufgeputzt werden muss. Das ganze findet in der Turnhalle statt und das durch dem Eintritt gesammelte Geld wird zur Organisation des großen Balls, Prom, verwendet. Ich liebe diese verrückten Aktionen an den amerikanischen Schulen, die in Deutschland undenkbar wären. Der Prom selbst ist schon so, wie man ihn davor in Filmen gesehen hat. Schon Monate vorher wird ein passendes „dress“ (Kleid) ausgesucht, wobei man dafür oft mehrere Tage „Promdress- Shopping“ geht. Es hat mich auch sehr verblüfft, welche enorme Summen die Mädels für ihr Kleid ausgeben, einige bis zu 500 Dollar, aber leider ist das gute Stück so extravagant, dass der Durchschnittsmensch nie wider in seinem Leben einen Anlass findet, dieses Kleid zu tragen. Insgesamt ist der Prom ein sehr teuerer Anlass, immer eine Gruppe von Freunden mieten sich eine Stretch- Limo, auch nicht ganz billig, dann lassen sich die meisten Mädchen beim Friseur ihre Haare stylen, außerdem stehen bei mindestens 90 % Nagel- und Sonnenstudio auf dem Programm. Nun ja, Prom ist zumindest an meiner Schule so ziemlich das Highlight der Schulzeit und an diesem Abend darf dann nicht gespart werden, zudem sind die hohen Ausgaben zumeist vergessen, wenn die Mütter sich vor Rührung mit einem Taschentuch die Augen tupfend dann sehen, wie ihre „Kleinen“ gemeinsam mit ihrem „Date“ in den Saal einlaufen und einfach „beautiful“ aussehen. Meine Gastschwester wurde zur Promqueen gewählt, was für die ganze Familie den Abend natürlich noch wertvoller werden ließ. „King“ wurde ein im Rollstuhl sitzender, an MS leidender Junge, der eigentlich gar nicht auf der Liste stand, auf der man King und Queen wählen konnte. Aber alle haben einfach seinen Namen auf den Wahlzettel geschrieben. Diese spontane Aktion fand ich sehr schön. Nachdem King und Queen dann verkündet sind, müssen die Eltern gehen und die Nacht, zumindest bis 24 Uhr, gehört den Jugendlichen.
So langsam sich das Jahr im Herbst noch hinzuziehen schien, so schnell schien die Zeit im Frühjahr zu rasen. Ich wohnte ja nur 15 Minuten vom Ontariosee entfernt und somit nutzen wir bei warmem Wetter jede Gelegenheit, uns an den schönen Sandstränden zu bräunen und uns im doch recht kühlen Wasser abzukühlen. Ich konnte es kaum glauben, als der 24. Juni, Graduation, gekommen war. Wie ich das bisher nur im Fernsehen gesehen habe, trug auch ich „Cap and Gown“ (also diese eckige Mütze mit dem Anhängsel und das lange Gewand) in unseren Schulfarben „Maroon and White“, auch ich durfte über die Bühne gehen und bekam mein Diplom verliehen. Danach wurden Bilder gemacht und es gab noch diverse „Graduation Partys“. Für mich war das ein sehr trauriger Tag, denn bereits am nächsten Tag hieß es „goodbye“ sagen. An Graduation sah ich viele meiner Freunde zum letzten Mal, ein letztes Mal war ich über die Bühne in der großen Aula gegangen, das letzte mal musste ich mich zur Flagge drehen und mir die von den Amerikanern einträchtig gemurmelte „pledge of allegiance“ anhören. Ich konnte es kaum glauben, als ich am nächsten Morgen auch noch von meiner Gastfamilie Abschied nehmen musste und als ich in den Bus einstieg, der mich nach New York City zum Flughafen bringen sollte, konnte ich immer noch nicht glauben, dass dieses Jahr mit all seinen Höhen und Tiefen jetzt wirklich vorbei sein sollte. Als ich wieder am Flughafen stand, konnte ich mich noch genau daran erinnern, wie ich hier vor 11 Monaten bereits mit klopfendem Herzen gestanden war, alles war neu und jetzt kam es mir vor, als würde ich wieder aus meinen Wurzeln gerissen werden, konnte einfach nicht verstehen, warum ich jetzt gehen musste, gerade jetzt, wo ich mich doch so zu Hause fühlte. Natürlich denkt man an seine Familie, Freunde und Umgebung in Deutschland, aber das schien mir so weit entfernt zu sein. Als ich am 9.8.06 zum ersten Mal am hektischen New Yorker Flughafen stand, hätte ich mir niemals vorstellen können, ein kleines Örtchen mitten im Bundesstaat New York mal meine Heimat zu nennen. Ausgerechnet ein kleines Nest in New York, wo es nur 4 Läden und eine Tankstelle gibt und mehr Hirsche als Menschen. New York, was wahrscheinlich zu 70 % aus Wald und Wiesen besteht und ich enttäuscht feststellen musste: „hier sieht’s ja genauso aus wie daheim“, außer, dass es mehr Schnee gibt, weshalb ich sechs Mal schulfrei bekam und wir an Ostern gerade Schneeschippen mussten, weil uns ein Blizzard eingescheit hatte. Es gibt auch jetzt immer noch einige Dinge im „Lifestyle“ der Amerikaner, an die ich mich nicht gewöhnen kann, z.B. wie verschwenderisch viele mit Benzin umgehen, wie wenig Umweltbewusstsein sie zeigen, wie Menschen oft nach Äußerlichkeiten beurteilt werden oder ob zu viel Patriotismus den Blick auf die Wirklichkeit nicht verstellt. Ich war vielleicht nicht an der perfekten Schule, war nicht gerade in der aufregendsten Stadt oder hatte auch keine perfekte Gastfamilie, aber ich bin ja schließlich auch nicht perfekt und es sind vor allem auch die Dinge, die nicht so glatt gelaufen sind, die mein Jahr so besonders und unvergessen machen, und durch die ich wahnsinnig viel über mich selbst und den Umgang mit anderen gelernt habe.

Ich möchte mich vor allem beim Deutschen- Bundestag, bei AFS für die gute Vorbereitung und Betreuung und bei meinem Bundestagspaten, Christian von Stetten, bedanken, die es mir ermöglichten, als junge Botschafterin ein Jahr in einem anderen Land zu verbringen. Außerdem bei meiner deutschen Familie und Freunden, die mich während des ganzen Jahres immer für mich da waren und natürlich meine amerikanischen Freunde und Familie, die dieses Jahr so unvergesslich gemacht haben und ich bin unglaublich froh, dass ich die Chance hatte, all diese Menschen kennen zu lernen.

Ich finde es sehr wichtig, dass sich die Einwohner verschiedener Länder besser kennen lernen. Ich denke, dass ich über vieles intensiver und bewusster nachgedacht habe und meine Sicht zu vielen Dingen geändert habe. Z.B. habe ich mich, bevor Austausch ein Thema wurde, nie damit beschäftigt, wie sind Deutsche eigentlich oder wie ist unser Land, aber dadurch, dass man ein Jahr in der Fremde ist, werden einem die eigenen Gewohnheiten wie ein Spiegel vorgehalten. Auch spaßig gemeinte Bemerkungen wie „you Germans always have to be in time“(ihr Deutschen müsst immer pünktlich sein), oder „you Germans always seem to be angry“( ihr Deutschen scheint immer so wütend zu sein), oder wurde mir oft vorgehalten, ich würde zu direkt sagen, was ich denke, waren für mich oft eine Anregung, darüber nachzudenken, ob ich wirklich diesen Eindruck auf andere Leute mache. Auch Dinge die mir als Selbstverständlichkeit vorkamen, und von den Amerikanern mit Verwunderung hingenommen wurde, haben mich darüber nachdenken lassen, ob sie in Deutschland wirklich so gut sind. Mir haben ja vor allem die Spontanität und Freundlichkeit der Amerikaner gut gefallen und ich denke jetzt auch oft, dass sich da viele Deutsche eine Scheibe abschneiden könnten. Außerdem habe ich in diesem Jahr die amerikanische Nationalhymne in einem Monat öfter gehört, als die deutsche in meinem ganzen Leben und jeder Schultag fing mit der „pledge of allegiance“ an. Außerdem war jeder einzelne Raum in der Schule mit einer Flagge geschmückt und vor fast jedem Haus wehte sie stolz an einem Mast. Man muss es ja nicht übertreiben, aber ein bisschen mehr Nationalstolz könnte Deutschland sicher nicht schaden, denn wir sollten uns nicht hinter unseren Fehlern der vergangenen Geschichte verstecken, sondern zeigen, zu was für einer Nation wir herangewachsen sind. Aber ich hoffe natürlich, auch Menschen in den USA positiv beeinflusst zu haben und ihnen Anregungen zum Nachdenken gegeben haben. Zum Abschied z.B. hat meine Gastmutter zu mir gesagt, „danke für alles, ich habe viel von dir gelernt, vor allem deine Verlässlichkeit und Gerechtigkeit habe ich zu schätzen gelernt“, das hat mich wirklich gefreut, denn vielleicht bin ich anderen Leuten auch so in Erinnerung geblieben, und wenn sie das nächste Mal „Germany“ hören, assoziieren sie dies nicht nur mit Bier, Lederhosen und der Autobahn, sondern mit den Deutschen als Menschen.

Helena Beck, PPP Stipendiatin 2006/ 2007